Verbal-argumentative Bewertung
Die verbal-argumentative Bewertung bewertet ausschließlich durch Argumentation und nicht durch arithmetische oder logische Aggregation. Daher ist kein ausformuliertes Zielsystem erforderlich. Es gibt keine Definition für die Methode sondern eine große Bandbreite von Ansätzen, die nicht oder nur schwach formalisiert sind.
Schritte und Methodenmix
Verbal-argumentative Schritte findet man auch in der Raumempfindlichkeitsuntersuchung und der Ökologischen Risikoanalyse. Die verbal-argumentative Bewertung wird in der Praxis der Umweltfolgenabschätzung häufig angewendet und ist eine wichtige Ergänzung zur Raumempfindlichkeitsuntersuchung, der Ökologischen Risikoanalyse und der Bilanzierung.
Die Methode erlaubt eine einfache und schnelle Erfassung der spezifischen Bedingungen und ist damit zeit- und kostengünstig. Die Ergebnisse werden meist weder kardinal (Punkte, Zielerreichungsgrade) oder ordinal (Noten, Wertstufen, Klassen) skaliert, sondern rein verbal als Übersicht in Form einer verbalen Zusammenfassung der wesentlichen Auswirkungen dargestellt.
Innerhalb von verbal-argumentativen Bewertungen können verschiedene Methoden zur Anwendung kommen wie Rangordnung, schrittweise Rückstellung, Paarvergleich.
Bei einfach gelagerten Fällen, wie z. B. Bebauungsplänen ist eine kurze verbale Argumentation oft auch sachbezogen empfehlenswert und transparent, weil sie schnell die weniger relevanten Auswirkungen deutlich machen kann.
Bewertungspraxis
Die heutige Bewertungspraxis ist gekennzeichnet durch einen Methodenmix, bestehend aus Checklisten, Bilanzierung, Relevanzbaum, Präferenzmatrix, Raumempfindlichkeitsuntersuchung, Ökologischer Risikoanalyse und verbal-argumentativer Bewertung. Was jeweils zum Einsatz kommt, hängt von der Komplexität und der Datenverfügbarkeit im Einzelfall ab. Die verbal-argumentative Bewertung ist jedoch oft essentiell wichtig zur Nachvollziehbarkeit von zusammenfassenden Bewertungen im Sinne einer integrativen Gesamtbewertung.
Methoden
Rangordnungen
Rangordnungen können gebildet werden, indem festgestellt wird, welche zur Diskussion stehende Variante welches Kriterium am Besten, am Zweitbesten usw. erfüllt. Rangordnungen können auch gebildet werden, indem Standards herangezogen werden und dann festgestellt wird, welche Alternative die wenigsten Standards erfüllt. Jede Alternative, die Grenzwerte verletzt, ist zu verwerfen.
Schrittweise Rückstellung
Ziel der schrittweisen Rückstellung ist die Eliminierung von Handlungsalternativen. Dabei werden zunächst diejenigen Alternativen eliminiert, bei denen die für die Umwelt ungünstigsten Ausprägungen von Kriterien gehäuft auftreten oder rechtliche Standards oder Tabu-Kriterien (sind jene Kriterien, die jedenfalls zu erfüllen sind) nicht erfüllt werden. Es können auch Kriterien eliminiert werden, bei denen sich alle Alternativen kaum unterscheiden. Bleiben dann weitere Alternativen übrig, kann durch Verschärfung der Kriterien, also Elimination solcher Alternativen, bei denen relativ schlechte Ausprägungen gehäuft vorkommen, schrittweise weiter eingegrenzt werden. Dabei liegt die Strategie der Minimierung der Nachteile zugrunde. Es ist aber auch strategisch möglich, die Vorteile zu maximieren, d. h. solche Alternativen heranzuziehen, bei denen relativ gute bis optimale Ausprägungen von Kriterien gehäuft vorkommen.
Die Methode wird Rückstellung genannt, weil zunächst eliminierte Alternativen oder Kriterien je nach Untersuchungsverlauf wieder in die Betrachtung einbezogen werden können, also nur vorläufig ausgeschieden (zurückgestellt) sind. Sie eignet sich besonders, wenn eine größere Anzahl (mehr als 5) von Alternativen und Kriterien zu bewerten ist, sodass Paarvergleiche ausscheiden.
Paarvergleich
Mit Paarvergleichen kann festgestellt werden, welche von zwei oder mehreren Alternativen die günstigste in Bezug auf mehrere Kriterien ist oder ob es gleichwertige Alternativen gibt. Dabei wird bezüglich jedes Kriteriums paarweise verglichen, d. h. schneidet bezüglich des Kriteriums 1 Alternative A oder B besser ab oder sind sie gleich? Dabei besteht das Dilemma, dass relative Vorteile einer Alternative regelmäßig mit relativen Nachteilen an anderer Stelle gekoppelt sind. Deshalb muss jede Alternative mit jeder für jedes Kriterium verglichen werden. Die Zahl der durchzuführenden Vergleiche steigt mithin exponentiell mit der Zahl der Kriterien (m) oder Alternativen (n). Daher ist die Methoden bis maximal 5 Kriterien und Alternativen sinnvoll einsetzbar. Deren Zahl kann jedoch vorher durch Rückstellung reduziert werden.
Kritik an der Methode
Willkür
Da die verbal-argumentative Bewertung praktisch keinerlei Vorgaben unterliegt, werden Bewertungsgegenstände oft willkürlich und unvollständig festgelegt. In wie weit Zusammenhänge verdeutlicht werden, hängt vom Fachwissen der GutachterInnen ab. Informationsverluste durch Aggregation sind auch hier nicht zu vermeiden. Der Übergang von der Sach- zur Wertebene wird oft nicht deutlich. Wertmaßstäbe werden meist nicht explizit genannt, sodass Bewertungsschritte oft nicht nachvollziehbar sind. In der Praxis werden oft nach mehr oder weniger langen Ausführungen nicht nachvollziehbare Schlüsse gezogen, die Beeinträchtigungen seien hoch, mittel oder gering.
Rückkehr der Formalisierung
Die verbal-argumentative Bewertung gilt als die nicht formalisierte Methode. In der Praxis wird immer wieder auf Formalisierungen zurückgegriffen, indem z.B. mit Tabellen, Rangordnungen, Matrizen, Checklisten, Prüfkriterienkatalogen gearbeitet wird. Der Grund dafür liegt darin, dass die Komplexität anders nicht nachvollziehbar zu bewältigen ist.
Quelle
Fürst, Dietrich & Scholles, Frank (Hrsg.) (2008): Handbuch Theorien und Methoden der Raum- und Umweltplanung, 3. Auflage, Dortmund.