Ökologische Wirkungsanalyse

Zur Reduktion der Komplexität in einer SUP können Ökologische Wirkungsanalysen sowohl rückblickend zur Erklärung von Zuständen und Prozessen als auch vorausschauend zur Prognose von zukünftigen Zuständen (als Wirkungsprognose) eingesetzt werden. Ökologische Wirkungsanalysen fragen nach den Ursachen für Ereignisse. Ihr Ziel ist das systematische Erfassen und Bewerten von Wirkungen eines bestimmten Nutzungsanspruchs auf die Umwelt. 

Dabei lassen sich folgende Fragestellungen unterscheiden:

  1. Wer verursacht was und durch welche Handlung bei wem?
  2. Wodurch wird etwas verursacht (Zusammenhänge)?
  3. Was würde passieren, wenn (Prognoseszenarien)?

Definitionen und Bestandteile

Wirkung wird als "Veränderung eines Sachverhalts durch die Veränderung eines anderen" bzw. "Ergebnis einer Ursache" definiert. Ökologische Wirkungsanalysen haben ein gewisses Grundmuster: verursachender Nutzungsanspruch - ausgelöster Wirkfaktor - davon betroffene Nutzungsansprüche bzw. Naturraumpotenziale, kurz

Verursacher - Wirkung - Betroffener

Aus diesem Grundmuster können sich auch Folgewirkungen ergeben, die von der Veränderung eines betroffenen Nutzungsanspruchs bzw. Potenzials auf andere Nutzungen und Potenziale ausgehen können. Darunter können auch Rückkopplungen fallen, sodass Wechselwirkungen zwischen Nutzungsansprüchen offengelegt werden können. Wirkungsanalysen verlangen eine funktionale Betrachtungsweise; sie basieren nicht auf homogenen Raumeinheiten. Damit ergänzen sie die Überlagerungen (GIS), die räumliche, nicht jedoch funktionale Beziehungen abbilden können. Sie dienen der Aufschlüsselung von Wirkungszusammenhängen.

Folgende Klassen von Beziehungen können in diesem Zusammenhang unterschieden werden:

Kausalbeziehung

A ist die Ursache von Wirkung B; B tritt immer ein, wenn A eintritt. Die Beziehung ist eindeutig und reproduzierbar. Beispiel: durch Versiegelung wird die Versickerung auf Null reduziert.

Korrelativbeziehung

A ist mehr oder weniger wahrscheinliche Ursache der Wirkung B; B tritt mehr oder weniger wahrscheinlich ein, wenn A eintritt. Beispiel: Nach Flächenverlust kann eine Intensivierung auf den verbleibenden landwirtschaftlich genutzten Flächen folgen.

Koinzidenz

A und B treten gleichzeitig auf, eine Ursache-Wirkungs-Beziehung ist jedoch nicht nachweisbar. Beispiel: gleichzeitiger Rückgang der Naturraumfläche und der Weißstorchpopulationen in Mitteleuropa.

Systemanalytische Betrachtung

Wirkungsanalysen setzen eine Systemanalyse voraus, indem sie versuchen, das System "Umwelt" in seine Komponenten aufzuschlüsseln und dadurch zu vereinfachen (modellieren). Dabei werden zunächst aktive Komponenten identifiziert, die es in der Untersuchung weiterzuverfolgen gilt. Diese werden systemanalytisch unterteilt in

  • Verursacher (Komponenten, von denen Wirkungen ausgehen) - z.B. Pläne bzw. Programme sowie die dadurch ausgelösten Aktivitäten - und
  • Betroffene (Komponenten, auf die Wirkungen einwirken)

Die Beziehungen zwischen den Komponenten werden als Prozess aufgefasst,

  • Auswirkungen werden dabei als Output - z.B. Änderungen der Qualität oder Quantität von Biotopen, der Grundwasserbeschaffenheit oder der Luftqualität,
  • Einwirkungen als Input - z.B. Nutzungen, Emissionen oder allgemein die Flächeninanspruchnahme - und
  • der Weg vom Sender zum Empfänger als Prozessstrecke betrachtet (siehe Grafik).

Wenn von einem System nur Input und Output, nicht jedoch das Innere des Systems bekannt sind, spricht man von einer "Black Box".

Grenzen durch Komplexität

Die ursächliche Betrachtungsweise kann Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aufschlüsseln. Dies endet dort, wo die Menge der Variablen nicht mehr verarbeitet werden kann (aufgrund zu hoher Komplexität). Es muss eine endliche Zahl von Komponenten (Elemente und Prozesse) definiert werden, d. h. Komplexität wird reduziert.

In natürlichen Systemen lassen sich darüber hinaus Kausalbeziehungen eher selten nachweisen; es wird unter Unsicherheit geplant; deshalb tritt die Ökologische Risikoanalyse, die maßgebliche (normative) Elemente beinhaltet, oft an die Stelle einer Wirkungsanalyse.

Wirkungsketten

Eine Wirkungskette ist eine Folge von Wirkungen, bei denen entstandene Wirkungen zu Ursachen neuer Wirkungen werden.

Kausalketten - Ursache-Wirkungskette

Oft wird mit linearen Kausalketten gearbeitet, d. h. eine Ursache löst genau eine Wirkung bei genau einem Betroffenen aus, die wiederum genau eine Folgewirkung bei genau einem Betroffenen auslöst usw.

Beispiel 1:
Durch die Realisierung eines Plans kommt es zu einer Verkleinerung des Ursprungshabitates; die Nahrungsgrundlage für alle Tiere ist nicht mehr ausreichendend. Dies bedeutet aber nicht den sofortigen Tod der ?überzähligen? Exemplare, sondern die Unterernährung der gesamten Gruppe. Dadurch verstärkt sich der Nahrungsdruck und die verbleibenden Nahrungsressourcen werden überproportional stark dezimiert, was wiederum die Nahrungsverfügbarkeit senkt. Als weitere Folge sind die adulten Tiere geschwächt und es verringert sich die Nachkommenzahl. Die Anzahl der Individuen einer Population sinkt über einen längeren Zeitraum und wird nicht direkt mit der Zerschneidung als Ursache in Verbindung gebracht.

Beispiel 2:
Abschätzung von Gefährdungen der menschlichen Gesundheit durch Schadstoffe mithilfe von Dosis-Wirkungs-Beziehungen.

Bildung von Wirkungsketten

Durch folgende drei Schritte werden Wirkungsketten gebildet:

  1. Identifizieren der aktiven Elemente
  2. Charakterisieren des Wirkungsgeschehens
  3. Zusammenhang des Wirkungsgeschehens mit den Systemverhältnissen der aktiven Elemente.

Wirkungsketten können meist nur durch Disziplinen übergreifende (interdisziplinäre) Zusammenarbeit identifiziert werden. Die Intensität der Folgewirkungen kann mit quantitativen Indikatoren abgeschätzt werden, wenn physikalische Gesetzmäßigkeiten dominieren.

Ansonsten ist eine Abschätzung durch Analogieschlussverfahren nötig. Dieses besteht darin, eine einmal ermittelte Beziehung auf einen anderen Fall zu übertragen, der die gleichen Voraussetzungen und Randbedingungen wie der untersuchte Fall aufweist.

Komplexere Wirkungsketten

In der Realität stellt man oft fest, dass ein Verursacher auf mehrere Betroffene und mehrere Verursacher auf einen Betroffenen wirken, dass also multikausale Beziehungen und damit Wirkungsnetze vorherrschen. Diese komplexren Wirkungsketten (dargestellt in Diagrammen) sollen die wichtigsten Wirkungsabläufe und Prozessstrecken transparent machen; die Übersicht hat jedoch darstellungstechnische Grenzen.

Matrix

Eine Matrix kann z.B. in der SUP dazu diesen, die zu bewertenden Zusammenhänge zwischen den Auswirkungen der Szenarien und den definierten Schutzgüter und Schutzinteressen festzulegen.

Definition

Eine Matrix ist ein rechteckiges grafisches Schema, in welcher als relevant erachtetete Elemente untereinander in Beziehung gesetzt, bewertet und daraus Schlüsselfaktoren identifiziert werden. Dabei gibt es unterschiedliche Inhalte, welche in einer Matrix dargestellt werden können.

Konfliktmatrix

Die Konfliktmatrix macht Aussagen über negative Auswirkungen von Maßnahmen auf die Umwelt.

Damit lassen sich Aussagen über

  • das Verhältnis von Verursachern und Wirkungen
  • die Verkettung von Wirkungen und Folgewirkungen
  • den Zusammenhang von Wirkungen und Betroffenen
  • die Verknüpfung von Verursachern und Betroffenen

machen (Bierhals et al. 1974).

Verflechtungsmatrix oder Wirkungsmatrix

Grafik einer Wirkungsmatrix
Wirkungsmatrix

Ziel der Verflechtungsmatrix bzw. Wirkungsmatrix ist es, als relevant erkannte Elemente untereinander in Beziehung zu setzen, zu bewerten und dabei Schlüsselfaktoren zu identifizieren.

Empfindlichkeitsmatrix

Im Rahmen der Entwicklung der Raumempfindlichkeitsanalyse wurde die Empfindlichkeitsmatrix eingeführt. Sie listet grundsätzliche Konfliktmomente auf und ordnet sie Raumtypen zu. Mit geringem Aufwand können so wichtige Empfindlichkeiten eines Landschaftsausschnitts gegen bestimmte Nutzungsarten und -intensitäten gekennzeichnet werden.

Empfindlichkeitsmatrix vs. Ökologische Risikoanalyse - Vergleich der Ansätze

Empfindlichkeitsmatrix 

Der Vorteil liegt darin, dass ohne informatorischen und analytischen Aufwand in kürzester Zeit mittels Vergleich von Merkmalen und Phänomenen die wichtigsten Empfindlichkeitsmomente eines Raums für bestimmte Nutzungsintensitäten ermittelt werden können. Die Konfliktmatrix bringt zusätzlich die Verflechtung der betroffenen Funktionen zum Ausdruck.

Ökologische Risikoanalyse

Diese bietet im Vergleich den Vorteil der räumlich konkreten Darstellung.

Problemfelder bei ökologischen Wirkungsanalysen

Offene Beziehungen

Zu der Verflechtungsmatrix und dem Wirkungsdiagramm ist kritisch anzumerken, dass Beziehungen angegeben werden, ohne den Wirkfaktor zu benennen. Damit ist nicht immer eindeutig klar, welche Beziehung besteht. Diese Information ist für die weitere Untersuchung und die Entscheidungsvorbereitung nur von begrenztem Nutzen.

Analytische Methoden bei komplexen Systemen

Ökosysteme sind meist komplex oder überkomplex und daher schlecht definiert.  In schlecht definierten Systemen braucht man daher Szenarien oder Verflechtungsmatrizes bzw. Checklisten.

Durch das Zerlegen der Realität in Einzelbestandteile, kann es leicht zu einer Vielzahl vermeintlich oder tatsächlich wichtiger Elemente und Beziehungen und damit zu Unübersichtlichkeit und auch Unsicherheiten kommen. Wirkungsketten können nahezu unendlich werden, da die Zusammenhänge und Abhängigkeiten in natürlichen Systemen vielfältig sind. Komplizierte Modelle sind nicht automatisch besser als einfache.

Verständnis von Ökosystemen notwendig

Ökosysteme sind meist keine Inseln, sondern offene Systeme, die vielfältigen, sich ggf. gleichzeitig ändernden Bedingungen ausgesetzt sind. Essentiell für das Verständnis von Ökosystemen ist daher die Erfassung von Systemzusammenhängen.

Ziel muss es sein, unterschiedliche methodische Vorgehensweisen  zusammenzuführen. Die Natur folgt nicht ein paar exakten Regeln, sondern bedingt sich durch die Mannigfaltigkeit und die Besonderheit des konkreten Einzelfalles.

Quelle

Fürst, Dietrich & Scholles, Frank (Hrsg.) (2008): Handbuch Theorien und Methoden der Raum- und Umweltplanung, 3. Auflage, Dortmund.