Risk Assessment

Planung hat es häufig mit unvollständiger oder unsicherer Information zu tun. Wenn ein Sachverhalt nicht mit Sicherheit (Wahrscheinlichkeit gleich eins) erklärt werden kann, existiert ein Risiko. Planungen und Prognosen sind auf Risikoabschätzungen angewiesen. Risikoabschätzungen müssen als solche deutlich gemacht werden.

Risk Assessment

In den USA wurde das Risk Assessment mit dem Ziel entwickelt, eine Grundlage für Entscheidungen zu schaffen, die sowohl gut begründet als auch gesellschaftlich legitim und akzeptabel sind. Risk Assessment ist nicht vergleichbar mit der Ökologischen Risikoanalyse, sondern stellt eine quantitative Abschätzung der naturwissenschaftlich-technischen Unsicherheit von ExpertInnen-Prognosen zur Vorbereitung politischer Entscheidungen dar.

Charakterisierung

Die naturwissenschaftliche Sichtweise zielt auf Unsicherheiten bei der Analyse und Prognose von Wirkungen.

Die versicherungstechnische Sicht stellt die Berechenbarkeit in den Mittelpunkt.

Die gesellschaftswissenschaftliche Sicht  stellt die Akzeptabilität von und Konsensbildung über Risiken in der Vordergrund.

Die juristische Sicht beschäftigt sich mit staatlichem Eingreifen und muss dazu sowohl Eintrittswahrscheinlichkeit als auch Schadenshöhe berücksichtigen.

Risiko = Schadensintensität * Eintrittswahrscheinlichkeit

Daraus ergeben sich die beiden zentralen Größen für die Risikobestimmung - die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Schadensintensität.

Grafik über Arten von Unsicherheiten
Arten von Unsicherheiten

Abschätzung ökologischer Risiken

In der Praxis der Prognose müssen Intensität und Häufigkeit von Wirkungen abgeschätzt werden. Es gilt eine bestimmte Wahrscheinlichkeit zu benennen, mit der eine Wirkung anders ist als erwartet. Für die Abschätzung ökologischer Risiken sind meist wenig empirische Daten verfügbar, sodass das analytische Risiko sehr groß ist. Abhilfe können dabei Indikatoren liefern (z.B. Verwendung bestimmter Artengruppen als Indikatoren für den Zustand bestimmter Lebensräume).

Zur Abschätzung des Risikos können folgende analytische Unsicherheiten hinzukommen:

Natürliche VarianzNatürliche Systeme sind räumlich heterogen und zeitlich variabel. Diese Varianz kann mit Modell- oder Laborversuchen nur begrenzt kalkuliert werden.
ModellparameterfehlerViele Parameter und Indikatoren können schwer gemessen oder in Größenordnungen abgeschätzt werden. Daraus resultieren Mess- und Schätzfehler (sog. Modellparameterfehler), die mit in die Risikobestimmung eingehen müssen.
ModellstrukturfehlerZur Abbildung der Realität wird mit Modellen gearbeitet. Die Modelle können falsche Komponenten (Parameter oder Indikatoren), falsche Beziehungen zwischen den Komponenten (oder nur unzureichend qualifizierte) oder unzutreffende Rahmenbedingungen enthalten.
 

Abschätzung analytischer Unsicherheit

Natürliche Varianz kann beispielsweise mit Hilfe von Zeitreihen oder Simulationen abgeschätzt werden, wenn Langzeituntersuchungen vorliegen und die Simulationsergebnisse statistisch ausgewertet werden können. Im Gegensatz zu Hydrologie und Meteorologie sind solche Abschätzungen jedoch für ökologische Fragestellungen nur partiell möglich. Die notwendigen Daten sind zumeist kaum verfügbar oder nur schwierig und mit hohem Kostenaufwand zu erheben. Die Variabilität ökologischer Systeme erlaubt die Bestimmung von Parametern oft nur mit hoher Unsicherheit. Daher werden fehlende Daten oft durch begründete Expertenmeinung ersetzt oder verschiedene Szenarien werden durchgeführt.

Modellparameterfehler sind zu berechnen oder zumindest einzugrenzen, wenn die Datensammlung und die Erhebungsmethoden dokumentiert sind. Einfache Modelle mit wenigen Parametern und wenigen Beziehungen sind meist leicht zu verifizieren. Je mehr Parameter und Beziehungen in ein Modell einfließen, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit dass Parameterfehler auftreten. Je mehr Information über die Struktur der Umwelt einfließt, desto größer wird die Unsicherheit. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine der Aussagen nicht zutrifft.

Modellstrukturfehler sind schwer zu kalkulieren. Durch gezieltes Verändern einzelner Daten lässt sich feststellen, welche Parameter robust gegenüber Veränderungen sind und welche sensitiv. Mit solchen Sensitivitätsanalysen kann man zwar das Risiko eines Strukturfehlers noch nicht kalkulieren, aber sensitive Elemente der Prognose identifizieren.

Versicherung gegen Umweltrisiken

Eine Versicherung gegen Umweltrisiken setzt voraus, dass das Risiko (weitgehend) bekannt ist, d. h. es muss analysiert werden. Bei der Analyse wird nach stofflichen, organisationsbedingten, standortbedingten und betriebsbedingten Risiken differenziert.

Zusätzlich zur naturwissenschaftlichen Sichtweise findet das potenzielle Schadensausmaß Eingang in die Risikobestimmung. Es werden aber nur Risiken betrachtet, die hinreichend genau analysiert bzw. analysierbar und quantitativ beschreibbar sind. Da ökologische Risiken i.d.R. schlecht analysiert, komplex, mit hohen Schäden oder Spätschäden behaftet sind und Grundlagenwissen sich noch entwickelt, wird ihnen die Versicherbarkeit abgesprochen. 

Die Bewertung eines Schadens unter Berücksichtigung seines potenziellen Ausmaßes hat in das Risk Assessment und auch in die Umweltfolgenabschätzung Eingang gefunden.

Risk Assessment und Akzeptanz

Risk Assessment ist auch eine Form der angewandten Politikanalyse und nicht reine wissenschaftliche Untersuchung. Ziel ist eine Akzeptanzbasis für politische Entscheidungen herzustellen.

Die Ergebnisse des Risk Assessments unterliegen zeitlichen und finanziellen Einschränkungen und beziehen Werthaltungen mit ein. Daraus resultieren weitere Quellen für Unsicherheiten und somit Risiken, die nicht naturwissenschaftlichen Ursprungs sind.

Zur Auswahl, welche Auswirkungen vor dem Hintergrund begrenzter Zeit und Mittel vertieft untersucht werden und zur Gewichtung der einzelnen Auswirkungen braucht die Risikoanalyse Maßstäbe. Diese Maßstäbe sind meist an gesellschaftliche Konventionen geknüpft. Verschiedene Auffassungen über Konventionen in Gesellschaften sind in unterschiedlichen Werthaltungen begründet. Eine Reduktion von Unsicherheit bei Werthaltungen kann durch Konfliktmanagement erreicht werden (Verhandlung, Moderation, Mediation).

Fundierte Risikoanalysen müssen nicht nur Unsicherheit reduzieren, sondern deutlich machen, welche Unsicherheiten trotz allem bleiben. Insgesamt kann das Hauptproblem der Wertunsicherheit nicht gelöst, sondern nur verdeutlicht werden.

Risiko als Rechtsbegriff

Im Vergleich zum naturwissenschaftlichen Risikobegriff wird auch beim juristischen Risikobegriff mit Unsicherheiten gearbeitet, dabei kommen noch die Schadenshöhen und -intensitäten dazu. Bei Risikoentscheidungen werden naturwissenschaftlich-technische Kompetenz und politisch-rechtliche Entscheidungsverantwortung zusammengeführt.

Oftmals wird hierbei aber von einer weitgehenden Trennbarkeit von fachlicher Kompetenz und rechtlicher Bewertung ausgegangen.

Die Sachverhalte werden zunächst wissenschaftlich klar dargelegt, um den Entscheidungsträgern eine Entscheidung über das wahrscheinliche (Rest-)Risiko zu ermöglichen.

Quelle

Fürst, Dietrich & Scholles, Frank (Hrsg.) (2008): Handbuch Theorien und Methoden der Raum- und Umweltplanung, 3. Auflage, Dortmund.