Relevanzbaum

Relevanzbäume werden in der Praxis der Umweltplanung zur ordinalen Klassifikation und Aggregation komplexer Indikatoren eingesetzt. Zur Klassifikation werden komplexe Sachverhalte, wie die Schutzwürdigkeit von Biotopen, analytisch in ihre Elemente (Merkmale) aufgegliedert. Dabei beschränkt man sich im Gegensatz zur Präferenzmatrix  auf die wesentlichen (relevanten) Merkmale und Ausprägungen.

Vorgegangen wird dabei in einzelnen Schritten:

  1. Auflisten der Merkmale (z. B. Schutzstatus, Biotoptyp, Brutplätze) in der Reihenfolge ihrer Relevanz für das Gesamtergebnis, d. h. die wichtigsten Merkmale oben
  2. Klassifikation der Merkmale (z. B. NP/NSG/LB/LSG, ja/nein, <10/10/>10, Schwellenwerte)
  3. Festlegung der Anzahl der Klassen der Ordinalskala, in die die komplexe Größe (z. B. Schutzwürdigkeit von Biotopen) eingeteilt werden soll
  4. Zuordnung der Merkmale und ihrer Ausprägungen (Wertbereiche) zu den Klassen der komplexen Größe (z. B. wenn, dann)
Abbildung eines Relevanzbaums zur Klassifikation der Schutzwürdigkeit
Relevanzbaum zur Klassifikation der Schutzwürdigkeit

Rechnen nicht möglich

Mathematisch gesehen beruht der Relevanzbaum auf der Boole'schen Algebra. Da die Merkmale ordinal oder nominal skaliert sind, kann man nicht arithmetisch aggregieren. Daher müssen die Merkmale mit Operatoren wie UND oder ODER verknüpft werden. Die Einteilung der Klassen erfolgt durch die Wenn-dann-Regeln.

K.O.-Kriterien

Es können K.O.-Kriterien (auch "Tabu-Kriterien ") eingeführt werden. Zu K.O.-Kriterien werden solche Merkmale gezählt, bei deren Erfüllung auf jeden Fall eine bestimmte Einstufung erfolgt, unabhängig davon wie alle übrigen Kriterien ausgeprägt sind. Wird z.B. ein FFH Gebiet durch den Bau einer Kläranlage zerstört, dann kommt die betreffende Alternative in die schlechteste Klasse, egal wie sauber sie das Abwasser macht.

Zahl an Merkmalen und Klassen unterschiedlich

Die Anzahl der Klassen und Merkmale ist im Einzelfall zu bestimmten. Je genauer ein Sachverhalt wissenschaftlich untersucht ist, desto mehr Merkmale sind bekannt und desto mehr Klassen können begründet werden. Die verwendeten Merkmale müssen nicht substituierbar, sein, denn jede beliebige Beziehung kann innerhalb eines Baums abgebildet werden.

Beispiel flächendeckende Einschätzung der Landschaft

Kaule (1986) hat ein umfassendes Konzept zur Einschätzung der Schutzwürdigkeit von Biotopen für die Belange des Artenschutzes vorgelegt.

Die Methodik unterscheidet zunächst die besonders schutzwürdigen Lebensräume von den (sonstigen) Nutzflächen. Danach wird anhand der Merkmale Nutzungsintensität, Größe, Seltenheit, Repräsentanz, Alter, Trophie und Vollständigkeit eine neunstufige Skala abgeleitet.

Die Abbildung zeigt den zugrundeliegenden Relevanzbaum. Bei Bedarf können Klassen zusammengefasst oder weggelassen werden.

Abbildung eines Relevanzbaums für eine flächendeckende Einschätzung der Landschaft
Relevanzbaum für eine flächendeckende Einschätzung der Landschaft

Vorteil

Die Klasseneinteilung wird sachlich und nicht arithmetisch oder statistisch begründet. Dadurch kann die Wertung klar und transparent sein. Jede Klasse muss dazu aber mit einer verständlichen Bezeichnung versehen werden.

Nachteil

Die Zerlegung komplexer Sachverhalte in ihre Merkmale kann gleichzeitig jedoch ein Nachteil sein, wenn eine gesamtheitliche Betrachtung vernachlässigt wird. Wechselbeziehungen zwischen Schutzgütern können mit Relevanzbäumen nicht dargestellt werden.

Die Festlegung der Merkmale, ihre Position innerhalb des Baums, die Zahl der Verzweigungen und die Verwendung von Schwellenwerten sind Wertungen. Diese Wertungen können durch wissenschaftliche Untersuchungen soweit gestützt werden, dass sie sich fast zwangsläufig aus logischen Gründen ergeben. Meist sind die ökologischen Grundlagen aber nicht ausreichend vorhanden. Die Relevanz der Merkmale darf nicht völlig willkürlich sein, sodass die Klassifizierung nicht an ihren Wurzeln widerlegt werden kann.

Quelle

Fürst, Dietrich & Scholles, Frank (Hrsg.) (2008): Handbuch Theorien und Methoden der Raum- und Umweltplanung, 3. Auflage, Dortmund.